Als mich 1995 ein Wesen namens Phantasie zum ersten Mal in die Welt der Kurzgeschichten führte -und ich annahm, es hier nicht sehr lange aushalten zu können- da kam ich in einen kleinen Raum, in dessen Mitte ein Pokertisch stand. Vier Spieler saßen hier, kauften Karten, gaben Karten ab, blufften und warfen ihre Chips in die Mitte. Drei von ihnen schienen sehr nervös zu sein, ständig wischten sie sich den Schweiß von der Stirn, sahen zum Nachbarn neben sich und dann auf den eigenen Vorrat an Chips, der ihnen noch verblieben war. Sie spielten nicht um Geld -alles andere wäre auch zu langweilig gewesen, verriet mir das Phantasiewesen-, sondern um einen weit höheren Einsatz. Diese Spieler (zumindest drei) waren nicht freiwillig hier. Drei von ihnen würden so bedacht und vorsichtig spielen, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Drei von ihnen sollten diesen Raum nicht lebend verlassen.
Hinter jedem dieser drei Spieler stand ein Mann mit einer Maschinenpistole und jeder, der seinen Chipvorrat verspielen würde, sollte mit Einschusslöchern im Hinterkopf aus dem Zimmer getragen werden.
Ich kehrte zurück in unsere Welt und schrieb diese Geschichte auf. Ich nannte sie Todespoker -ich glaube, nur zwei Personen haben sie je gelesen- und sie war nicht besonders gut. Aber Todespoker war meine erste Kurzgeschichte und ich bin stolz auf sie. Vielleicht werde ich sie Ihnen irgendwann einmal präsentieren, mal schauen. Aber das Wichtigste an der ganzen Sache war folgendes:
Einer der drei Männer überlebte -selbst den mysteriösen vierten Typen, der für alle Geschehnisse verantwortlich zu sein schien- und flüchtete nach draußen. Setzte sich in seinen Truck, ließ den Motor aufheulen und fuhr über eine Landstraße nach Hause. Todespoker sollte enden, als er das Ortsschild erreichte und so war es dann auch. Allerdings brauchte der Ort einen Namen und ich brauchte nicht lange überlegen. Irgendwie hatte mir das Phantasiewesen die Lösung schon vorher verraten - und so stand also Galtheim auf diesem Schild. Die Stadt war geboren und im Gegensatz zu meiner damaligen Vorstellung bin ich danach immer wieder dort gewesen und habe Geschichten mitgebracht. Das Phantasiewesen ist mir nie wieder erschienen -es hatte seine Schuldigkeit getan-, nicht in Träumen, nicht in Visionen oder in Kaffeesätzen.
Die zweite Geschichte spielte dann 1964 -damals war das Raffineriewerk noch in Betrieb- und es wurden die ersten Bewohner vorgestellt. Sie sind mit der Zeit älter geworden -sofern sie alle Umstände überlebten. Eine von ihnen ist sogar Nonne geworden, wenigstens ein Anzeichen von Gottesfürchtigkeit in dieser Stadt. Sie kennt Dr. Hülser ganz gut, aber nie war ich bei einer Begegnung der beiden anwesend.
Andere sind mit der Zeit in die Stadt gezogen oder einfach geboren worden. Einige sind umgekommen oder verschwunden. Jedenfalls gab es immer von genügend Abenteuern zu berichten. Es sind mittlerweile über zwanzig, teils gute, teils weniger gute. Teils brutale, teils traurige. Manchmal nachdenkliche, manchmal lustige.
Es gibt immer wieder Personen, die ständig Besucher dieser Handlungen sind. Manchmal in Nebenrollen, manchmal als Hauptperson. Erik Kopper -er hat nach Hartmut Brauers Tod die Polizei in Galtheim übernommen- kennen wir bereits aus zwei Geschichten, da aber ein einzelnes Leben in dieser Stadt nichts zählt, wird er vermutlich das Ende von Galtheim nicht miterleben können. Wir werden sehen.
Neben Erik Kopper, Dr. Hülser, Dr. Konrad -er hat Hülsers Praxis übernommen-, Krause -seines Zeichens Handlanger und Assistent von Kopper-, Dieter Bruck -Wirt und Besitzer der Knock Out Bar- gibt es noch Mike Darwin, der tasächlich Die Zeitwächter überlebte und heute ein ziemlich erfolgreicher Sänger ist. Wir haben lange nichts von ihm gehört, aber ich denke, er kehrt irgendwann nach Galtheim zurück, um sich ein paar alten Dämonen zu stellen.
Es gibt in Galtheim kein Krankenhaus oder Gefängnis. Die Stadt ist zu klein, jeder kennt fast jeden. Daher werden Patienten und überführte Täter in die Nachbarstadt gebracht. Sie heißt Hohenstein -und immer wenn mich jemand fragt wo Galtheim eigentlich liegt, dann antworte ich: Gleich daneben.
Sie werden Galtheim durch die eine oder andere Geschichte besser kennenlernen und vielleicht halten Sie sich irgendwann genauso gerne dort auf wie ich. Aber eines sollten Sie wissen: Galtheims Ende steht schon fest.
Es geschehen merkwürdige Dinge hier, scheinbar zieht dieser Ort das Dunkle und Böse so magisch an wie manche Menschen das Pech. Sie wollen es nicht, aber es kommt zu ihnen. Sie mögen es nicht, aber sie kommen damit klar. Sie bekämpfen es und gewinnen Schlachten, ohne je den Krieg zu gewinnen.
Das alles muß einen Grund haben. Etwas muß mit Galtheim passiert sein -ein Fluch? Nein, dass wäre zu billig-, und was immer das war, es passiert noch immer.
Dieses Etwas wird Bestandteil der letzten Geschichte sein. Dieses Etwas wird so sicher kommen wie der Tod und das Finanzamt. Dieses Etwas wird das Ende bedeuten. Es wird das Ende bringen -für die Stadt und für die Menschen, die zu diesem Zeitpunkt hier leben. Hoffen wir, dass noch einige vor hier fortziehen bis es soweit ist. Hoffen wir das wir noch Zeit haben.
Aber wenn mein Phantasiewesen jetzt hier
wäre würde es ganz sicher flüstern:
Du lügst, Junge. Du lügst, denn du weißt es besser. Die Uhr tickt und sie tickt
schnell.
Hörst du das Ticken? Also sag die Wahrheit.
Tja Leute, wir werden sehen.
Die längste Geschichte, die ich je von Galtheim aus geschrieben habe -und die im Wesentlichen aber gar nicht dort spielt- habe ich an einen Verlag verschickt. Das Buch kommt jetzt bald in den Handel. Es würde mich natürlich freuen, wenn Sie mal einen Blick darauf werfen könnten. Schöner wäre natürlich mehr als ein Blick.
Durch diese Homepage haben sie dann die Möglichkeit mir eine Nachricht zukommen zu lassen. Spielen Sie Kritiker und Kritikerin und tragen sie Ihren Lob und Unmut dort ein. Ich bin gespannt.
Bis dahin...wir sehen uns in einer kleinen Stadt.